Wie hast du letzte Nacht geschlafen? Die Antwort darauf könnte erstaunliche Gründe für Übergewicht und Adipositas offenbaren. Die Schlafforschung zeigt: Schlaf beeinflusst dein Essverhalten.
Wir wissen alle, wie wichtig guter Schlaf für die Gesundheit ist. Es ist die Phase, in der unser Körper regeneriert, das Gedächtnis schärft und neu Erlerntes einstudiert. Kurzum: Schlafen ist eines der besten legalen Dopingmittel.
Doch wusstest du, dass sowohl die Schlafdauer als auch die Schlafqualität Einfluss auf dein Gewicht und Essverhalten haben? Forscher konnten zeigen, dass eine kürzere Schlafdauer mit steigendem Gewicht korreliert. Ob es sich dabei um Kausalität oder Korrelation handelt, ist nicht jedoch noch nicht eindeutig geklärt.
Wie Schlaf dein Essverhalten und Gewicht beeinflusst
Unbestreitbar ist trotzdem, dass deine Schlafqualität einen Einfluss auf dein Essverhalten und infolgedessen dein Gewicht hat. Welche Erklärungen gibt es dafür? Stellvertretend für eine Fülle an Theorien zu dem Zusammenhang von Schlaf und Ernährung schauen wir uns jetzt zwei Erklärungen an, die wissenschaftlich weitgehend akzeptiert sind.
Schlaf und Hormone
Welche Hormone sorgen für gesteigerten Appetit? Das geht auf Ghrelins Kappe. Ghrelin ist eines der Hormone, das für Hunger sorgt. Und was Ghrelin mit Schlaf zu tun hat, das schauen wir uns gleich an. Vorher lernen wir noch die bessere Hälfte des Ghrelins kennen.
Leptin ist ein Hormon, das den Appetit senkt. Es wird in Fettzellen gebildet und hemmt deinen Appetit. Folglich haben schlanke Menschen weniger Leptin als Übergewichtige und Adipöse. Übergewichtige haben jedoch eine Resistenz gegen das Hormon, die dazu führt, dass die natürliche Appetitsenkung aus bleibt.
Leptin und Ghrelin sind Gegenspieler (Antagonisten). Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) hat dazu in einem entsprechenden Artikel über Schlaf und Essverhalten resümiert: »Wenig Schlaf senkt die Leptin- und erhöht die Ghrelinkonzentration und könnte so den Appetit steigern.«
Einfach gesagt: Wenig Schlaf macht hungrig und hemmt unsere Sättigungssignale.
Zudem ist Schlaf wichtig für neuroendokrine Funktionen und den Glukosestoffwechsel. Schlafmangel wurde in Studien mit einer niedrigeren Glukosetoleranz, einer geringeren Insulinsensitivität, einem erhöhten Cortisol-Spiegel1, mehr Hunger und Appetit in Verbindung gebracht. Es gibt also reichlich Hinweise dafür, dass Schlafmangel für viele gesundheitliche Probleme verantwortlich ist – inklusive Übergewicht, Adipositas und möglicherweise Diabetes Typ II.
Übrigens: Schlafprobleme können auch Reizdarm verursachen (Reizdarmsyndrom; Irritable Bowel Syndrome). Falls du also unter Verdauungsproblemen leidest oder deine Darmflora im Ungleichgewicht ist, lohnt sich eine kritische Prüfung des Schlafverhaltens.
Müde Willenskraft
Kennst du das, wenn du krampfhaft versuchst, gute Entscheidungen zu treffen oder einfach nur ohne zu Sterben durch den Tag zu kommen und es will einfach nichts funktionieren? Du lässt den Sport sausen, kannst dich keine zehn Sekunden konzentrieren und fängst vormittags schon an Kuchen zu essen? Solche Tage kennt jeder. Und weißt du was? Schlafprobleme könnten die Ursache sein.
Ich fange an über das Ende der Welt und die Sinnlosigkeit meines Daseins zu grübeln, sobald Folgendes eintritt:
- Ich bin müde
- Ich bin hungrig
- Ich fühle mich einsam
Es hat lange gedauert bis ich eingesehen habe: Die Welt geht gerade nicht unter und ich muss auch nicht all meine Lebensziele über Bord werfen, sondern einfach was essen. Oder schlafen. Oder unter Leute gehen.
Das Teuflische Trio der schlechten Laune kennst du ganz sicher. Spätestens seit »Sorry for what I said when I was hungry« ist zumindest ein Teil des teuflischen Trios der schlechten Laune allseits bekannt. Schlafmangel und soziale Isolation (oder einfach nur unbefriedigte Lust) machen das Trio perfekt. Wenn du das nächste Mal das Gefühl hast, deine Welt würde untergehen, frag dich:
- Hast du letzte Nacht gut und genug geschlafen?
- Wann hast du zuletzt gegessen? (Kleiner Tipp: Wenn du morgens nichts isst, fällt es dir leichter nüchtern zu bleiben, als wenn du gleich nach dem Aufstehen in die Insulin-Achterbahn einsteigst)
- Wann warst du zuletzt bei Freunden oder hattest Sex? (Vor allem relevant, wenn du in der Klausurenphase steckst)
Schlafmangel wird mit reduzierter Impulskontrolle assoziiert. Will heißen: Hast du schlecht geschlafen, triffst du nachteiligere Entscheidungen, bist impulsiver, schneller auf 180. Und das führt zu mehr Lustessen.
Wäre eine sinnvolle Antwort auf Heißhunger also ein Anti-Snack-Nap? Vielleicht. In der Theorie klingt es logisch. Das werde ich auf jeden Fall mal testen. Weil du aber nicht immer ein Anti-Snack-Nap einlegen kannst, sobald der Heißhunger kommt, teile ich im Folgenden fünf Tipps für besseren Schlaf, der wiederum dein Essverhalten verbessern soll.
Tipps für besseren Schlaf
Matthew Walker ist Professor für Neurowissenschaften und Psychologie an der University of California. In seinem hörenswerten Interview mit Podcast-Titan Joe Rogan verrät er einige Tipps aus seinem Buch, die auch du heute noch umsetzen kannst, um besser zu schlafen.
Tipp Nr. 1: Bildschirme aus
Ich kann es nicht oft genug schreiben: Schalte spätestens eine Stunde vor dem Zubettgehen alle Bildschirme aus. Alle. Auch dein Smartphone! Niemand muss im Bett noch Mails oder Instagram checken. (An anderer Stelle habe ich geschrieben, was du noch tun kannst, um die negativen Effekte digitaler Medien und deinem Smartphone zu reduzieren.)
Wir sind umgeben von Blaulicht. Blaulicht in unseren Smartphones, Laptops, Tablets, Fernsehern … überall blaues Licht, das uns aus Bildschirmen ins Gesicht strahlt. Dieses bläuliche Licht kann hinter tränenden und brennenden Augen, Kopfschmerzen und Schlafproblemen stecken. Deshalb solltest du gerade in den Abendstunden weitgehend auf Bildschirme verzichten. Vor allem aber solltest du sie nicht unmittelbar vors Gesicht halten (wie z. B. das Smartphone).
Kleines Beispiel. In einer Studie wurden zwei Gruppen verglichen; eine Gruppe las vor dem Schlafen auf einem Tablet, die andere ein gedrucktes Buch. Die Gruppe, die auf dem Tablet las brauchte länger, um einzuschlafen, war weniger müde, schüttete weniger Melatonin2 aus und war am nächsten Morgen schlechter ausgeruht als die Vergleichsgruppe.
Und solltest du abends doch am PC sitzen, weil eine Deadline dir im Nacken sitzt oder du noch ein bisschen arbeiten willst, besorg dir einen Blaulichtfilter. Den gibt es bei Apple geräteintern; die Funktion heißt »Night-Shift«. In den Einstellungen kannst du festlegen, dass der Blaulichtfilter sich automatisch einschaltet und an deinen Tag-Nacht-Rhythmus anpassen – bei mir ist das zwischen 20:00 und 08:00 Uhr. Ähnliche Software gibt es auch für alle anderen Betriebssysteme (z. B. f.lux).
Übrigens solltest du nicht nur die Bildschirme möglichst frühzeitig ausschalten, sondern das Licht im Allgemeinen. Gerade in Großstädten scheint der Helligkeitsunterschied zwischen Tag und Nacht immer weiter zu verschwinden. Aber genau dafür haben wir Rollläden! Und wenn die nicht richtig abdunkeln, gibt es immer noch Schlafmasken*.
Tipp Nr. 2: Eine kühle und einschläfernde Routine
Auch wenn du eine Frostbeule wie Laura bist: Versuche die Temperatur im Schlafzimmer zwei bis drei Grad Celsius unter der Temperatur der übrigen Räume zu halten. Kälte signalisiert unserem Körper genauso wie Dunkelheit, dass es Schlafenszeit ist – nachts ist es kühler als tagsüber (vor allem, wenn man bedenkt, wie unsere Vorfahren bis vor wenigen hundert Jahren gelebt haben). Außerdem ist es hilfreich, dir eine Schlafroutine anzueignen. Die beginnt beim Ritual vor dem eigentlichen Einschlafen (Zahnseide, Zähneputzen, lesen, worauf du sonst noch Lust hast …) und endet mit der Uhrzeit.
Tipp Nr. 3: Wie Essen den Schlaf beeinflusst
Der Zusammenhang zwischen Ernährung und Schlaf ist ein beidseitiger. Sprich: Schlaf beeinflusst das Essverhalten und das Essverhalten beeinflusst den Schlaf. Du hattest sicherlich schonmal mit Einschlafproblemen zu kämpfen, weil du eine halbe Stunde vor dem Schlafen eine Handvoll Chips (also die ganze Tüte) gegessen hast. Doch nicht nur zu viel zu kurz vor dem Schlafen zu essen ist schlecht.
Auch Hungern sendet Signale, die erholsamen Schlaf beeinträchtigen. Befindet sich unser Körper im Hungermodus, will er nicht schlafen. Warum auch? Schließlich ist es doch das erklärte Ziel der Zellen unseres Körpers zu überleben. Grummelt der Magen – und schlimmer noch: befinden wir uns in einem mehrstündigen oder -tägigen Fastenzustand – ist an friedliches Einschlafen nicht zu denken. Unser Körper will dann nur eins: Essen.
In die Sprache der Evolution übersetzt bedeutet das: Aufstehen, Essen suchen, satt werden. Dann erst wird geschlafen.
Es ist weder gut deinen Verdauungstrakt kurz vor dem Schlafengehen zu belasten, noch deinem Körper zu signalisieren, dass du lieber Essen suchen solltest, wenn du wieder aufwachen willst. Erfahrungsgemäß fahre ich mit der letzten Mahlzeit zwei bis drei Stunden vor dem Einschlafen am besten. Wie ist es bei dir?
Tipp Nr. 4: Das Richtige lesen
Lange Zeit hab ich gar nicht gelesen und dann die falschen Sachen. Zumindest war der Zeitpunkt falsch. Denn wenn du abends Probleme beim Einschlafen hast, dann schau mal auf den Bücherstapel neben deinem Bett.
Wenn ich im Bett auf die glorreiche Idee komme, eine motivierende Ratgeberlektüre auszupacken, kann ich gleich nochmal eiskalt duschen gehen – es hätte denselben Effekt. Seit einiger Zeit fahre ich mit dem folgendem Leitsatz ganz gut: Was meinen Schlaf nicht verbessert, hat im Bett nichts verloren. Also flog sämtliche motivierende Ratgeberliteratur aus meinem abendlichen Leseritual. Übrig geblieben sind Aphorismensammlungen, Biografien, Geschichten und Romane3.
Tipp Nr. 5: Apfelessig und Honig
Wie ich schon in meinem Buch über Blähungen und Verdauungsprobleme »Das Pups-Tabu« geschrieben habe: Ich kann dir leider nicht den einwandfreien biochemischen Hintergrund erklären, warum Apfelessig und Honig einschläfernd wirken, aber es funktioniert. Dafür einfach 100-150 ml warmes (nicht heißes) Wasser mit 2 EL Apfelessig und 1 TL Honig mischen und runter damit! Schmeckt auch gar nicht mal übel.
Eine möglich Erklärung, warum dieser Mix beim Einschlafen hilft, liegt im Anstieg und raschen Abfall des Insulinspiegels. Der Honig im Getränk sorgt eben genau dafür, was den einschläfernden Effekt zumindest teilweise erklären könnte. (Falls du eine weitere Erklärung parat hast, schreib sie gerne in die Kommentare.)
Daneben gibt es auch andere natürliche Einschlafhilfen. Eine legale Möglichkeit ist Alkohol. Aber: Alkohol lässt dich zwar schneller einschlafen, jedoch ist der Schlaf nicht so erholsam. Der Grund dafür ist u. a., dass die REM-Schlafphase (der Traumschlaf) durch Alkohol unterdrückt wird. Ähnliches gilt für, für die meisten von uns illegales, THC-haltiges Cannabis.
Übergewicht durch Schlafmangel?
Du kannst aus diesem Artikel mitnehmen, dass Menschen, die länger schlafen tendenziell weniger wiegen. Schlafmangel führt also nicht nur zu Konzentrationsschwäche, Gereiztheit und schlechten Entscheidungen, sondern ist auch ein Faktor für Übergewicht und Adipositas.
Ein Faktor von vielen – aber eben einer, den wir bei Diskussionen um Übergewicht, Ernährung und Essverhalten vergessen.
Andersrum gibt es auch eine Beziehung. Übergewicht kann zu Symptomen wie Schlafapnoe4 führen, was wiederum die Schlafqualität deutlich verschlechtert. Du kannst also sowohl deine Schlafqualität verbessern, indem du besser isst, als auch dein Essverhalten optimieren, indem du besser schläfst.
Quellen und Weiterlesen
Artikel über den Zusammenhang des Körpergewichts und der Schlafqualität: https://www.dge.de/presse/pm/gibt-es-einen-zusammenhang-zwischen-schlafdauer-und-koerpergewicht/
Kurzer Artikel von Harvard: https://www.hsph.harvard.edu/nutritionsource/sleep/
Studie über den Zusammenhang von Übergewicht und Schlaf: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/20345429
Weitere Studie: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3632337/
Studie über Tablet vs. gedrucktes Buch: http://www.pnas.org/content/early/2014/12/18/1418490112
Das Buch von Matthew Walker: Why We Sleep: The New Science of Sleep and Dreams*
Interview mit Mattew Walker auf YouTube: https://youtu.be/pwaWilO_Pig
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