Corona wütet und die Deutschen kaufen Klopapier, Zucker und Mehl im Jahresvorrat. Auch Nudeln und Konserven sind in vielen Supermärkten ausverkauft. Leere Regale vermitteln Endzeitstimmung – das könnte Panik verursachen. Dabei gibt es nachvollziehbare Gründe für Hamsterkäufe. Und die haben nichts mit tatsächlicher Knappheit zu tun.
Was sind Gründe für Hamsterkäufe?
Bis auf eine Ausnahme (siehe unten) sind Hamsterkäufe unnötig. Und trotzdem sind die Regale vieler Supermärkte teilweise leer. Warum ist das so?
Hamsterkäufe sind nichts Neues. In Krisen die Versorgung mit Lebensmitteln sichern, ist menschlich. Sich 2020 in Deutschland wegen Klopapier prügeln nicht.
Gründe für Hamsterkäufe liefert die Verhaltensökonomie (Behavioral Economics). Vielleicht kennst du den Begriff durch den Welt-Bestseller »Schnelles denken, langsames Denken« von Daniel Kahnemann. Auch der Klassiker der Massenpsychologie »Psychologie der Massen« von Gustave Le Bon bietet eine Grundlage, um Hamsterkäufe zu verstehen.
Verhaltensökonomie und Hamsterkäufe
Zurück zur Verhaltensökonomie: Dabei geht es im Kern um Abweichungen vom Idealmodell des wirtschaftenden Menschen: dem Homo oeconomicus. Menschen sind laut Behavioral Economics keine perfekt-rational handelnden Wesen. Das zeigen zum Beispiel auch die Hamsterkäufe in der Corona-Pandemie.
Unter den Begriffen Bias (Denkfehler, kognitive Verzerrung) und Heuristiken werden psychologische Phänomene zusammengefasst, die du während der Covid-19-Pandemie beobachten kannst. Und die teilweise auch Hamsterkäufe erklären.
- Framing-Effekt: Es macht einen Unterschied in der Wahrnehmung, ob man sagt „1 % der Infizierten stirbt” oder “99 % der Infizierten überleben”. Die erste Aussage löst eher Panik aus als die zweite.
- Null-Risiko-Verzerrung (Zero Risk Bias): eine Präferenz für Optionen, die ein gewisses Risiko vollständig eliminieren, selbst wenn alternative Optionen das Gesamtrisiko proportional stärker senken. Manche Menschen sind lieber für einen höchst unwahrscheinlichen Fall der absoluten Lebensmittelknappheit gerüstet, als durch Befolgung der wissenschaftlich fundierten Handlungsempfehlungen die Infektionshäufigkeiten insgesamt weitgehend zu reduzieren.
- Verfügbarkeitsheuristik: Woran wir uns schnell erinnern und was die ganze Zeit vor unserer Nase passiert, beeinflusst unsere Entscheidungen. Liest man die ganze Zeit von der Corona-Pandemie und sieht leere Regale, stufen wir die Gefahr einer Lebensmittelknappheit höher ein als sie tatsächlich ist.
Wenn Hamsterkäufe zum Problem werden
Man kann nicht erwarten, dass die Bevölkerung über die Brisanz der Lage informiert wird – und dann schlicht nichts tut. Menschen wollen handeln, vor allem in Krisen.
Vorräte zu kaufen ist die simpelste Art sich und der Welt zu zeigen: Ich sorge vor.
Krisen wie die Covid-19-Pandemie reißen uns aus der Routine, in der wir mehr oder weniger bekannte Handlungen abspulen – und damit gut leben.
Unter Unsicherheit ändert sich das: Es gibt keine Routine für die Krise. Die tägliche Informationsflut überfordert uns. Dazu der Alltag, die Arbeit im Homeoffice – es wird uns zu viel. Dann schauen wir, was die Menschen um uns herum machen und nutzen ihr Verhalten als Maßstab. Als Orientierung.
Das vielleicht größte Problem von Hamsterkäufen: Leere Regale verunsichern ansonsten relativ ruhige Menschen und führen möglicherweise zu einer Ansteckung mit dem Hamster-Virus. Eine Kettenreaktion.
Ein weiteres Problem: Hamstern ist ein Schock für den Lebensmitteleinzelhandel. Sozusagen ein Schwarzer Schwan, den die Supermärkte nicht erahnt haben, nicht vorhersehen konnten.
Wenn eine kritische Masse jetzt Jahresvorräte an Toilettenpapier und Nudeln kauft, heißt das, dass eine viel größere Zahl an Menschen leer ausgeht. Bis Nachschub kommt. Das ist simple Mathematik.
Um das zu verhindern müssen wir Ruhe bewahren und die Denkfehler hinter Hamsterkäufen aufdecken. Fragen wir uns doch ganz einfach: Was bringen uns 100 Rollen Klopapier im Falle einer Infektion?
Müssen wir Angst vor knappen Lebensmitteln haben?
Politik, Handel und Lieferanten sagen einstimmig: Es gibt kein Nachschubproblem.
Wegen der Hamsterkäufe kommt es jetzt in manchen Filialen zu leeren Regalen. Diese werden aber doch recht schnell wieder aufgefüllt. Auch Grenzkontrollen und Staus führen bei manchen Produkten jetzt zu längeren Lieferzeiten.
Aber das ist noch lange kein Grund für Angst, dass wir bald keine Lebensmittel mehr haben könnten.
Deutschland ist sehr gut aufgestellt, was die Versorgung mit Lebensmitteln angeht. Auch Klopapier gibt es genug.
Umso wichtiger ist es, Hamsterkäufe zu lassen. Die erzeugen nämlich gefühlte Knappheit durch leere Regale, was wiederum Panik bei Verbrauchern verursachen könnte.
Und im Ernstfall?
Auch im Fall einer Quarantäne wird man von Freunden, Verwandten oder Lieferdiensten mit Lebensmitteln versorgt. Und selbst im unwahrscheinlichen Fall, dass man im Krankenhaus landet, bringen die Vorräte zu Hause auch nichts mehr.
Sinnvolle Lebensmittelvorräte
Wie sollen wir dann einkaufen? Die simple Antwort: Wie sonst auch.
Haushaltsübliche Mengen für die Woche kaufen – fertig.
Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe empfiehlt zwar einen 10-Tages-Vorrat für den Katastrophenfall (z. B. Hochwasser). Die Empfehlung gilt aber vor allem für Notsituationen, in denen man von der Lebensmittelversorgung zeitweise abgeschnitten ist. Das ist bei der Corona-Pandemie nicht der Fall.
Jetzt kommt die Ausnahme:
Menschen mit einem erhöhten Risiko für einen schweren Verlauf von Covid-19 sollten sich einen sinnvollen Vorrat anlegen. Und zwar nicht, weil es in ein paar Wochen keine Lebensmittel mehr gibt. Es geht nur darum das Risiko einer Ansteckung zu minimieren.
Je seltener die Risikogruppe einkaufen geht, desto niedriger das Risiko einer Ansteckung. Für Alte und Vorerkrankte macht es also durchaus Sinn, Vorräte zu kaufen. Eine Alternative: Freunde, Verwandte und Nachbarn bitten, einkaufen zu gehen.
Erich Mühsam, deutscher Schriftsteller und Publizist, der 1934 von der SS ermordet wurde, hat während des Ersten Weltkriegs vor über 100 Jahren in sein Tagebuch geschrieben:
Ich begrüße die Hamsterei als ein Mittel zur Beschleunigung der Katastrophe.
Erich Mühsam (1878 – 1934)
Sehen wir zu, dass wir die Covid-19-Pandemie nicht verschlimmern, indem wir uns – aus welchen Gründen auch immer – mit dem Hamsterkauf-Virus infizieren.
Passend zur Corona-Pandemie: unser Artikel zur Frage, ob Vitamin D vor Covid-19 schützen kann?
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