Bei Ernährung geht es irgendwann immer um Kalorien. Kalorien sparen hier, Kalorien verbrennen da. Und immer öfter heißt es: Nicht alle Kalorien sind gleich. Aber stimmt das? Sind alle Kalorien gleich oder nicht?
Schauen wir uns erstmal an, was Kalorien überhaupt sind, bevor wir die Frage beantworten.
Kalorien als physikalische Einheit
Eine Kalorie ist die veraltete physikalische Einheit von Energie. Kalorien sagen uns, wie viel Energie uns ein Apfel, eine Pizza oder ein Stück Nusskuchen liefern.
Physikalisch gesehen ist 1 Kilokalorie (kcal) die Energiemenge, die nötig ist, um 1 Liter Wasser um 1 °C zu erwärmen.
Definition der physikalischen Einheit Kalorie.
Die Kalorie ist schon lange nicht mehr die offizielle Einheit für Energie, auch nicht bei Lebensmitteln. Deshalb findest du auf jeder Verpackung auch die aktuelle offizielle Einheit Joule und in Klammern die Kilokalorien. Bei der Umrechnung gilt: 1 kcal = 4,168 kJ.
Hinweis: Da in der Alltagssprache meist von Kalorie die Rede ist, wenn Kilokalorie (1 kcal = 1000 Kalorien) gemeint ist, verwende auch ich in diesem Artikel die Alltagssprache.
Kalorien in Lebensmitteln
Um zu verstehen, warum Kalorien mal gleich und mal verschieden sind, lass uns kurz über Brutto und Netto sprechen.
Nehmen wir an, du verdienst satte 5.000 € brutto im Monat. 5.000 € brutto sind 5.000 € brutto, egal ob du sie als Klimaforscher auf Grönland oder als Agenturchef in Berlin verdienst. Der Bruttolohn ist im Endeffekt egal, es kommt darauf an, was netto übrig bleibt.
Bei Lebensmitteln ist es ähnlich.
Brutto-Kalorien
Stell dir vor, du hast zwei Teller vor dir. Auf den Tellern sind jeweils unterschiedliche Lebensmittel. Links hast du ein Gemisch aus Pflanzenölen und rechts ein Proteinpulver-Gemisch. Beide Teller haben jedoch exakt 500 kcal.
Das sind sozusagen die Brutto-Kalorien: Auf dem Teller sind alle Kalorien gleich. Jetzt kommt es aber nicht darauf an, was brutto auf dem Teller ist, sondern was netto in deinem Körper landet.
Netto-Kalorien
Jetzt kommen die Steuern. Für Protein zahlt dein Körper mehr Steuern in Form von Wärmeentwicklung (Thermogenese; Thermic Effect of Food = TEF). Der Steuersatz von Fett ist deutlich niedriger.
Obwohl die Kalorien auf dem Teller noch gleich waren, sind sie es im Körper nicht mehr. Die Netto-Kalorien beim Fett-Teller sind höher als beim Protein-Teller.
Anders als mit dem Gehalt, sind hohe Steuern in der Ernährung sinnvoll. Viele Steuern bedeuten mehr Sättigung und weniger verfügbare Kalorien bei derselben Menge.
Die Einheit ist gleich, aber nicht die Wirkung
Brutto-Energie: Auf dem Teller sind alle Kalorien gleich.
Netto-Energie: Kalorien im Körper verhalten sich unterschiedlich, je nachdem aus welcher Quelle sie stammen.
Weil unser Körper kein Verbrennungsmotor ist, häufen sich die Aussagen, dass Kalorien nicht alle gleich sind. Ich würde diese Aussage präziser umformulieren in:
Alle Kalorien sind gleich, aber sie wirken unterschiedlich.
Was heißt das?
Wärmeentwicklung durch Nährstoffe
Im Teller-Beispiel haben wir gesehen, dass Kalorien aus Protein die Wärmeentwicklung im Körper anregen. Das ist einer der Gründe, warum Kalorien unterschiedlich wirken.
Nährstoff | spezifischer Wärme-Effekt (TEF)1 |
Proteine | 20–30 % |
Kohlenhydrate | 5–10 % |
Fette | 0–3 % |
Diese Werte gelten nur bei isolierter Betrachtung der Nährstoffe. Bei normaler Ernährung pendelt sich der Wärme-Effekt der Nahrung (TEF) irgendwo um 10 % ein. Je mehr Protein du isst, desto höher ist der TEF. Dieser Effekt ist auf die Gesamtkalorien jedoch weniger imposant als angenommen.
Verdoppelst du den Anteil an Protein an deinen Gesamt-Kalorien von 15 auf 30 %, so steigt der Wärme-Effekt der Nahrung nur um 3,3 %. 2
Ballaststoffe
Ein anderer Grund sind Ballaststoffe. Der Ballaststoffgehalt in einem Lebensmittel bzw. einer Mahlzeit bestimmt, wie viel Netto-Kalorien nach der Verdauung übrig bleiben. Ballaststoffe sind für den Menschen nicht verwertbare Stoffe, die den Darmbakterien jedoch sehr wohl als Energiequelle dienen. Somit sind Ballaststoffe Präbiotika (= Nahrung der Darmbakterien).
Je mehr Ballaststoffe eine Mahlzeit enthält, desto weniger verfügbare Netto-Kalorien bleiben übrig. Das ist einer der Gründe, warum ballststoffreiche Lebensmitteln empfohlen werden – vor allem auch bei Diäten.
Umwandlung von Kalorien in Körperfett
Auch bei der Umwandlung überschüssiger Kalorien in Körperfett gibt es Unterschiede. Essen wir über unseren Kalorienbedarf hinaus, speichern wir die überschüssige Energie für später. Das geschieht einerseits in Form von Glykogen (gespeicherte Kohlenhydrate in Muskeln und Leber). Und dann haben wir andererseits das Körperfett.
Sind die Glykogen-Speicher voll, lagern wir Fett ein. Die überlebensnotwendige Reserve von einst, ist heute der Grund zahlreicher Wohlstandserkrankungen.
Wie viel Körperfett bei Kalorienüberschuss entsteht, hängt von der Energiequelle ab. Ein Überschuss an Eiweiß wird zu einem geringeren Teil als Körperfett gespeichert wie bei Kohlenhydraten oder Fetten. 3
Aber es ist ja nicht so, dass ein Energieüberschuss nur aus einem Makronährstoff entsteht. Normalerweise isst man einen Snack oder eine Mahlzeit über seinen Bedarf hinaus und keine isolierten Nährstoffe.
Sättigung
Die verschiedenen Energielieferanten unterscheiden sich auch bezüglich Sättigung. Zunächst gilt: Je komplexer eine Mahlzeit zu verdauen ist, desto höher der Sättigungseffekt. Und: Je besser eine Mahlzeit uns mit essenziellen Stoffen versorgt, desto besser die Sättigung.
Im Umkehrschluss bedeutet das: Einseitige Mahlzeiten mit leicht verwertbaren Energiequellen (z. B. viele Einfach- und Zweifachzucker) sättigen nicht lange.
Wie beim Wärme-Effekt, schneiden auch hier Proteine gut ab. Betrachtet man die drei Makronährstoffe isoliert, so sättigt Eiweiß besser als Kohlenhydrate und Fette. 4
Fazit: Sind alle Kalorien gleich?
Merke: Alle Kalorien sind gleich, aber sie wirken unterschiedlich. Und letzteres ist der entscheidende Punkt. Schließlich sind wir keine Maschine, sondern ein komplexer Organismus.
Es kommt darauf an, wie viel wir essen. Aber es kommt auch darauf an, was wir essen. Die Quelle der Kalorien ist genauso wichtig für die Gesundheit wie die Menge der Kalorien.
Louis
Super erklärt – vielen Dank!