Wir alle tun es. Meistens halten wir es privat, manchmal passiert es in der Öffentlich Öffentlichkeit – und im Durchschnitt pupsen wir 20 Mal pro Tag. Doch warum eigentlich? Wie entstehen Blähungen und wie kommt die Luft in den Bauch?
Blähungen, Pupsen, Flatulenzen sind menschlich! Und nicht nur das, die Luft aus unserem Bauch rauszulassen, ist wichtig. Trotzdem ist es manchmal unangenehm, sei es wegen des Geruchs, der Umgebung oder Zeit.
Und wenn du die Ursachen »normaler« Blähungen verstehst, kannst du die Gasmenge in deinem Verdauungstrakt ganz einfach und ohne überteuerte Mittel auf ein verträgliches Level bringen.
Warum pupsen wir?
Geht es um die Frage nach dem Grund fürs Pupsen, dreht sich meist alles um die Ernährung. Und ja, die Ernährung spielt eine wichtige, geradezu entscheidende Rolle bei der Entstehung von Luft im Bauch1. Doch Ernährung ist nicht alles.
Körperliche Phänomene wie Blähungen oder Erkrankungen haben fast nie nur einen Grund. In Wahrheit, nie. Übergewicht hat bspw. auch mehrere Ebenen: Ernährung, Psyche, Lebensstil, Soziales, Bildung – die Liste ist lang.
Diese Regel gilt für alle Lebensbereiche, für Lebensnotwendiges, Triviales und Banales.
Und auch für einen Pups.
Die beiden Hauptursachen für normale Blähungen sind verschluckte Luft und die Aktivität unserer Darmbakterien. Die dazugehörigen Faktoren lassen dich drei Dimensionen zuordnen:
Hinweis: In diesem Artikel geht es um den normalen Pups. Exzessive Blähungen haben andere Ursachen (Allergien, Unverträglichkeiten, Erkrankungen des Verdauungstrakts etc.). Darum soll es hier nicht gehen. Außerdem kann ich aus Platzgründen nur auf die wichtigsten Gründe für Blähungen eingehen. Wenn du dich intensiver mit dem Thema auseinandersetzen willst, kannst du dir gerne mein Buch »Das Pups-Tabu« ansehen.
Dimension 1: Ernährung
Gut, und warum pupsen wir jetzt genau? Die wichtigste Rolle bei der Entstehung eines Pupses spielt die Ernährung. Die meiste Luft im Bauch entsteht durch die Verdauung von Kohlenhydraten – genauer gesagt, durch die Nicht-Verdauung.
Grund 1: Darmbakterien
Was meine ich damit? Nun, wir können nicht alle Kohlenhydratformen aufspalten und absorbieren. Tatsächlich gelingt uns bloß die Verdauung eines kleinen elitären Kreises an Kohlenhydraten: Einfachzuckern. Komplexere Zuckermoleküle wie Stärke und andere Mehrfachzucker (Polysaccharide) müssen erst in absorbierbare, einfache Strukturen runtergebrochen werden.
Isst du eine Scheibe Vollkornbrot, also ein Brot bestehend aus komplexen Kohlenhydraten (Mehrfachzucker), müssen diese erst in Einfachzucker umgewandelt, um schließlich im Dünndarm aufgenommen zu werden. Wir nennen diesen Prozess Verdauung.
So ein Vollkornbrot besteht jedoch nicht nur aus komplexen Kohlenhydraten, die wir zerlegen und schließlich absorbieren. Nahe Verwandte dieser energieliefernden Kohlenhydrate, die Ballaststoffe, sehen ihnen zwar sehr ähnlich, sind jedoch für uns unverdaulich.
Wie gut, dass wir, je nach Schätzung, bis zu 90 % aus Bakterien bestehen. Und noch besser, dass diese Bakterien zum Großteil in unserem Verdauungstrakt sitzen – genauer gesagt, im Dickdarm. Stell dir vor, die Abermillionen Bakterien unseres Dickdarms leben in uns, ohne das wir sie spüren. Ihr einziges Lebenszeichen, das wirklich jeder täglich wahrnimmt, sind Pupse.
Vor etlichen zehntausenden Jahren sind wir, die Gattung Homo sapiens, eine Beziehung mit einer anderen Lebensform, den Bakterien eingegangen. Wir nennen diese Beziehung Symbiose. Symbiose heißt, dass beide Parteien von einandern profitieren. Ein gegensätzliche Art der Beziehung ist die, zwischen Parasit und Wirt – dort nutzt der Parasit den Wirt aus.
In der Symbiose aus Mensch und Bakterien bringen beide Partner ihren Teil in die Beziehung ein. Wir Menschen bieten den Bakterien ein Dach über dem Kopf und Nahrung. Und die Bakterien schützen uns, ihre Behausung und ihren Nahrungslieferanten, vor Eindringlingen und steuern Vitamine bei (Anmerkung: neben weiteren Funktionen).
Ebendiese Symbiose ist Schuld an Blähungen. Ein Pups entsteht, wenn die Bakterien unseres Darms essen. Dann stoßen sie wiederum »Mini-Pupse« aus, die in Summe einen Menschen-Pups ergeben. Die Gase entstehen zum Großteil bei der Zersetzung von unverdaulichen Kohlenhydraten, den Ballaststoffen.
Somit sind Ballaststoffe nur zu einem gewissen Grad »unverdaulich«, nämlich für uns. Bakterien hingegen veranstalten jedes Mal ein Festmahl, wenn eine Ladung Ballaststoffe in den Dickdarm rutscht.
Grund 2: Verschluckte Luft (Aerophagie)
Der zweite Hauptgrund für Blähungen ist verschluckte Luft. Aerophagie, der Fachbegriff dafür, hat viele Ursachen. Diejenigen, die unmittelbar mit der Ernährung zusammenhängen, sind:
- hastiges Essen
- kohlensäurehaltige Getränke
- Kaugummis
- aus dem Strohhalm trinken
Luft gelangt auch über normales Essen und Getränke in den Verdauungstrakt. Wasser besteht aus Wasserstoff und Sauerstoff (H2O), also »Luft«, zudem schleusen wir mit jedem Schluckvorgang eine kleine Menge Umgebungsluft in den Magen-Darm-Trakt. Doch auch unser Lebensstil ist beteiligt.
Dimension 2: Lebensstil
Rauchen, lose Zahnprotesen und »falsches« Atmen (v. a. beim Sport) erhöhen ebenfalls die Menge an Luft im Bauch und fördern somit Blähungen. Die überschüssige Luft im Verdauungstrakt muss schließlich wieder raus, und das geht auf zweierlei Wegen:
- Abatmen
- Pupsen
Wie oft du pupst, hängt somit nicht nur davon ab, wie du isst. Sondern auch davon, wie du lebst.
- Sitzt du den ganzen Tag oder bewegst du dich regelmäßig?
- Wie lange schläfst du?
- Wie ist die Schlafqualität?
- Wie stressig ist dein Alltag?
Diese Fragen sind untypisch auf der Ursachenforschung eines Blähbauchs, deshalb aber nicht unwichtig. Dein Lebensstil ist entscheidend für deine Darmgesundheit. Als Faustregel kannst du dir merken: Je träger du lebst, desto träger wird dein Verdauungstrakt.
Auch die Art deiner Geburt beeinflusst deinen Pups. Da wir alle mit einem sterilen Magen-Darm-Trakt auf die Welt kommen, sind die ersten Wochen und Monate entscheidend für die bakterielle Besiedlung des Darms. Kinder, die per Kaiserschnitt zur Welt gekommen sind, bekommen bspw. nicht die volle Ladung Bakterien wie Kinder, die vaginal geboren werden. Auch die frühkindliche Ernährung ist entscheidend für eine optimale Besiedlung des Baby-Darms. Hier gilt wenig überraschend: Stillen ist das Nonplusultra.
Erinnerst du dich an die beiden Gründe fürs Pupsen? Der Lebensstil beeinflusst sowohl die Zusammensetzung deiner Darmflora, als auch die Menge verschluckter Luft.
Dimension 3: Psyche
Depressiv pupst es sich öfter. Das klingt nicht nur plakativ – es stimmt auch. Psychische Erkrankungen, darunter eben auch Depressionen, stehen in direktem Zusammenhang mit dem Auftreten von Reizdarm, und somit Blähungen. 2
Wie so oft, ist nicht eindeutig geklärt, in welche Richtung der kausale Zusammenhang besteht. Führen exzessive Blähungen zu depressiver Verstimmung? Oder ist es andersrum? Gibt es überhaupt eine Kausalität oder treten Reizdarm und psychische Erkrankungen nur gleichzeitig auf3?
Wie dem auch sei, Psyche und Darmgesundheit beeinflussen sich gegenseitig. Nicht umsonst spricht man heute oft vom Darmhirn oder zweiten Gehirn. Der Zusammenhang besteht nicht nur aufgrund von Hormonen und dergleichen, sondern auch wegen bestimmter Verhaltensweisen, die zum Verschlucken von Luft (Aerophagie) führen.
Stell dir einen Choleriker vor. Jemand, der sich über jeden Mist aufregt und seinen Unmut lautstark an seine Umgebung kommuniziert, schluckt unweigerlich auch mehr Luft als ein stoischer Zeitgenosse. Die verschluckte Luft führt in der Folge zu vermehrtem Aufstoßen und Blähungen. Möglicherweise Dinge, über die sich der Choleriker wiederum aufregt. Und schon haben wir einen beidseitig lautstarken Kreislauf.
Ein wirklich tolles Buch über die Schnittmenge von Psychologie und Toilettenthemen (u. a. Blähungen) hat Nick Haslam geschrieben: »Psychology in the Bathroom«.
Fazit: Drei Gründe für Blähungen
Wir pupsen nicht nur, weil wir soundso essen. Verschluckte Luft, langes Sitzen, wenig Sport, Depression, ja sogar die Art und Weise, wie wir geboren, ob wir gestillt wurden oder nicht – all das beeinflusst unsere Verdauung.
Die Frage warum wir pupsen ist also weit spannender, als sie zunächst erscheint. Mit einer Prise Pathos könnte man sagen: Die Frage nach der Herkunft eines Pupses führt uns zur Suche nach uns selbst.
Ich weiß, das ist etwas weit hergeholt. Aber sieh es mal so: Warum wir pupsen führt uns vor Augen, wie sehr wir von einer Bakterien-Beziehung abhängig sind, womit wir uns ernähren, wie wir unser Leben führen und wie wir uns fühlen. Ernährung, Lebensstil und Psyche. Hättest du gedacht, dass ein Pups so viel über dich verrät?
Quellen und weiterführende Literatur
Studie zum Zusammenhang von Depression, Angstzuständen und somatischen Symptomen: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/15564348
Studie zum Zusammenhang von Depression und Beschwerden des Verdauungstrakts: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/11916191
Studie zum Einfluss künstlicher Süßstoffe auf die Darmflora (und Folgen): https://www.nature.com/articles/nature13793
Tips on Controlling Gas: https://www.iffgd.org/symptoms-causes/intestinal-gas/tips-on-controlling-gas.html
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