Kaffeeentwöhnung ist etwas, worüber sich die Geister scheiden. Kaffeeliebhabern schlottert vor Angst der Kiefer. Die Anti-Koffein-Fraktion hält es für das Allheilmittel. Es muss weder noch sein. Falls du deinen Körper besser kennenlernen und dir eine Pause von der weltweit beliebtesten Stimulans gönnen willst, bist du hier genau richtig.
Einer unserer meistgelesenen Artikel ist der über Kaffeeentzug. Offenbar gibt es Bedarf am Thema und viele Menschen, die sich dafür interessieren, wie und warum man (zeitweise) auf Kaffee verzichtet. In diesem Artikel gibt es eine Anleitung für den Koffeinentzug.
Ich habe inzwischen einige Entwöhnungen hinter mir. Doch ganz ferngeblieben bin ich der berauschenden Bohne nie. Dafür sehe ich aus gesundheitlicher Sicht auch keinen Grund: Solange du gesund bist spricht nichts gegen ein, zwei oder sogar drei Tassen Kaffee am Tag (mehr dazu später). Andererseits gibt es Gründe, die für einen temporären Verzicht sprechen.
Checkliste: Wann ist es Zeit für eine Kaffeeentwöhnung?
Folgende Anzeichen deuten darauf hin, dass es Zeit für eine Entwöhnung sein könnte:
- Koffein wirkt nicht mehr: Aus einer Tasse wurden zwei, dann drei – vor der Mittagspause.
- Die Wirkung hat sich verändert: Du bist eher unruhig und innerlich rastlos als fokussiert.
- Die Schlafqualität leidet: Du schläfst schlechter ein, wirst nachts öfter wach und fühlst dich am Morgen nicht ausgeruht.
- Verdauungsprobleme: Koffein kann zu Blähungen, Magenschmerzen, Sodbrennen und anderen Verdauungsbeschwerden führen.
- Du hast einen Eisenmangel: Kaffee bzw. Koffein hemmt die Eisenaufnahme. Bei einem Mangel macht die Entwöhnung also Sinn, um die Speicher wieder zu füllen.
Kein Koffeinentzug ohne unangenehme Symptome (Entzugserscheinungen)
Bevor ich dir (m)eine Anleitung zur Kaffeeentwöhnung präsentiere, noch eine kleine Hiobsbotschaft: Die ersten Tage werden unangenehm. Bei all meinen zeitweisen Entwöhnungen hatte ich mit unterschiedlichsten Symptomen zu kämpfen. Hier eine Auswahl der Entzugserscheinungen einer Koffeinentwöhnung:
- Müdigkeit und Lethargie: Gerade bei Viel- und Langzeittrinkern stellt sich spätestens mit dem zweiten Tag eine ausgeprägte Müdigkeit ein. Deshalb mein Tipp vorneweg: Den Koffeinentzug nicht in eine Phase packen, in der Höchstleistungen gefragt sind. In solchen Zeiten gilt: Never change a running system.
- Stimmungsschwankungen und Gereiztheit: Treten bei mir ebenfalls erst nach dem ersten, i. d. R. entspannten, Tag der Entwöhnung auf. Mein Tipp: Sag deinen Liebsten bescheid, dass du dir Koffein abgewöhnen wirst, bevor du anfängst.
- Konzentrationsschwierigkeiten und Nebelhirn: Wie in meinem anderen Erfahrungsbericht beschrieben, ging mir besonders das Nebelhirn in den ersten Tagen ohne Koffein auf die Nerven. Die Abstinenz von Koffein im Körper, quittiert dieser mit einem vorübergehenden geistigen Leistungsstreik.
- Muskelbeschwerden: Ermüdungen der Muskulatur können bei Koffeinsüchtigen zu den Entzugserscheinungen gehören.
- Verstopfung: Manche Menschen können (leider) morgens nur nach der obligatorischen Tasse Kaffee auf Toilette. Fehlt diese plötzlich, kann es zu Verstopfung kommen.
Diese Entzugserscheinungen bedeuten nicht: »Mist, mein Körper braucht scheinbar Koffein. Ohne geht es mir ja grauenhaft!« Stattdessen sind sie ein Zeichen dafür, dass dein Körper eine Gewöhnung nach Koffein entwickelt hat und ohne die Stimulans eine zeitlang braucht, um den Entzug zu verarbeiten. Alles völlig normal!
Anleitung zum Kaffeeentzug: In 3 Schritten Kaffee abgewöhnen
Schritt 1: Den optimalen Zeitpunkt wählen und kommunizieren
Keinen unnötigen Stress durch den falsch gewählten Zeitpunkt verursachen. Beim Blick auf die möglichen Begleiterscheinungen (und ja, du wirst nicht verschont bleiben), ist ebenfalls wichtig deinen Mitmenschen bescheid zu sagen. Im Folgenden will ich dir zwei Strategien vorstellen, um die beste Zeit für eine Kaffeeentwöhnung zu ermitteln (beide Strategien habe ich mehrfach getestet).
- Strategie für den optimalen Zeitpunkt: Ferien und Urlaub
Die offensichtliche Herangehensweise: Wenn ich Ferien oder Urlaub habe, verzichte ich auf Kaffee. Doch die schönste Zeit des Jahres ist nicht immer auch die beste Zeit, um auf Koffein zu verzichten. Warum? Erstens, siehe Begleiterscheinungen. Wer will im Urlaub schon gereizt, müde und abgeschlagen sein? Zweitens ist ein gemütliches Frühstück für viele Menschen im Urlaub Pflicht. Und dazu gehört aus Gewohnheitsgründen auch der Geruch frischgebrühten Kaffees. Trotzdem sind Ferien und Urlaub für die Koffeinentwöhnung gute Phasen. Es liegen, wenn überhaupt, wenige Termine an; Höchstleistungen werden nur beim Um-die-Wette-Welzen auf der Couch oder Sonnenliege gebraucht; der Urlaub dauert meist deutlich länger als die unangenehmen Symptome andauern. Außerdem kannst du danach wieder frisch in die produktive Phase starten. Und wenn du dann wieder Kaffee trinkst, wirkt das Koffein auch wieder wie es soll. - Strategie für den optimalen Zeitpunkt: Entspannte Leistungsphasen
Mit entspannten Leistungsphasen meine ich z. B.: Beginn der Vorlesungszeit, Beginn eines neuen Schuljahrs, die Zeit zwischen zwei Projekten. Also die Zeit, in der du zwar nicht vollständig entspannst, aber auch keine Bestleistung abliefern musst. Ich bevorzuge übrigens diese Phasen für die Koffeinentwöhnung.
Schritt 2: Auf sanfte Koffeinquellen umsteigen (3 – 7 Tage)
Grüntee und Schwarztee sind sanfte Koffeinquellen mit weniger starken Schwankungen im Effekt. Auch Kakao kann bei Schritt 2 eine Alternative zu Kaffee sein. Die Kakaobohne enthält zwar kein Koffein, aber mit Theobromin eine dem Koffein ähnliche Substanz. Tipp: Falls du Einschlafprobleme hast, solltest du überlegen, ob du am Nachmittag oder Abend Schokolade gegessen hast.
Der Umstieg auf diese Alternativen sorgt für einen sanften Übergang von täglicher Koffeinzufuhr zu Abstinenz. Du kannst natürlich auch die Cold Turkey Methode (kalter Entzug) anwenden, aber gerade bei Viel- und Langzeittrinkern sollten die Koffeinentwöhnung lieber langsam angehen, um die Begleiterscheinungen im Rahmen zu halten.
Schritt 3: Sämtliche Koffeinquellen meiden (und Alternativen finden)
Jetzt wird es ernst. Tschüss, Kaffee. Tschüss, Koffein. Ab jetzt heißt es: Alternativen finden und die Entzugserscheinungen ertragen.
Es gibt zahlreiche Kaffeealternativen. Lupinenkaffee. Entkoffeinierter Kaffee. Muckefuck. Mich hat bisher noch keine dieser kaffeeähnlichen Alternativen überzeugen können1. Aber vielleicht ist ja für dich was dabei?
Kaffeegenuss ist etwas Rituelles. Deshalb ist es meiner Meinung nach nicht ganz so wichtig unbedingt auf eine der genannten Alternativen umzusteigen, sondern sich andere Rituale anzueignen. Das muss nichts Großes sein. Wiegen die körperlichen Entzugserscheinungen schon schwer, mach es dir leichter, indem du den morgendlichen Kaffee durch ein anderes Ritual ersetzt. Kalt duschen. 100 Kniebeugen. Morning Journal.
Die Liste der morgendlichen Mini-Routinen zum Zünden des Motors ist lang. Mein Getränke-Favorit in koffeinfreien Phasen ist übrigens folgende Mischung: 500 ml Wasser, Saft einer Zitrone, gute Prise Meersalz und je nach Geschmack etwas Zucker.
Wie lang sollte eine Kaffeeentwöhnung sein? Ich halte vier Wochen für einen sinnvollen Zeitrahmen. Alles darunter reicht kaum, um einen nennenswerten Effekt zu spüren. Schließlich geht es bei dieser On-Off-Beziehung zum Kaffee um das Maximieren der Vorzüge des Koffeins während der Kaffee-Phasen. Und gleichzeitig sollen regelmäßige Pausen für ein Rückbesinnen auf den natürlichen Leistungsverlauf sorgen.
Und nach der Koffeinentwöhnung?
Nach (mindestens) vier Wochen Entwöhnung stellst du dir die Frage: Und jetzt? Einerseits kann es sein, dass du dich ohne Koffein viel besser fühlst und überhaupt keine Lust mehr auf Kaffee hast – dann ist die Sachlage klar. Was aber, wenn dir Aroma und Wirkung koffeinhaltiger Getränke fehlen?
Entweder: Ganz auf Koffein verzichten
Solltest du dich nach der Entwöhnung dafür entscheiden, gänzlich auf Koffein zu verzichten – super! Aus gesundheitlicher Sicht ist das für gesunde Menschen zwar nicht notwendig (siehe unten). Aber vielleicht fühlst du dich ohne Koffein besser? Ausgeglichener? Fährst seltener die Leistungsachterbahn? Magst die sanfteren Höhen und seichteren Tiefen? Dann funktioniert dein Körper vielleicht generell besser ohne Koffein (und andere Stimulanzien). Weitermachen.
Oder: Koffein bewusst konsumieren
Dass Kaffee bzw. Koffein ungesund sei, ist ein hartnäckiger Mythos. In Wahrheit haben Studien vor einigen Jahren schon gezeigt, dass ein mäßiger Kaffeekonsum für gesunde Menschen unbedenklich ist [z. B. 1, 2, 3, 4]. 2 – 4 Tassen pro Tag können sogar gesundheitsfördernd sein2. Schwangere und Stillende sind von dieser Empfehlung für Gesunde ausgeschlossen.
Bei all der Lobhudelei, sollten auch Kaffee-Aficionados aus ökologischen, ökonomischen und gesundheitlichen Gründen Kaffee bewusst genießen. Das Getränk als Flatrate-Leistungspush zu sehen und in Unmengen in sich reinzuschütten, ist keine ratsame Strategie. Dann doch lieber die Fragen stellen:
Warum »brauche« ich so viel Kaffee?
Wie leistungsfähig bin ich eigentlich ohne Kaffee?
Kann ich eine Tasse nicht durch einen kurzen Mittagsschlaf ersetzen?
Bei der Beantwortung dieser (und mehr) Fragen, hilft die Kaffeeentwöhnung. Und danach wirst du Kaffee von selbst bewusster trinken und all seine Vorzüge genießen.
Wie ich es mit dem Kaffeeentzug handhabe, kannst du hier nachlesen: Von 4 auf 0 Tassen: mein Kaffeeentzug
Und wie sieht es bei dir aus? Kaffeeliebe, Hassliebe oder lässt dich Kaffee kalt? Schreib es gerne in die Kommentare!
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Alena
Toll geschrieben und gute Ideen! Ich habe lang mit mir gehadert und wusste, dass Kaffee mir nicht mehr gut tut. Meine Toleranzgrenze ist viel niedriger, selbst 1 Tasse pro Tag hat mir irgendwann zu viele Nebenwirkungen gegeben. Bin aber dennoch immer wieder in meinen Trott und die morgendliche Tasse zurückgefallen, bis ich vor 1 Woche eine Erkältung bekam und sich das Thema erledigt hat! Bin nun gespannt, wieder in meine Produktivität zu kommen ohne heißes Prana 😉
Jan Rein
Danke für deinen Kommentar, Alena! Welche Nebenwirkungen hast du bei Kaffee beobachtet? Würde mich interessieren 🙂
Liebe Grüße
Jan
Mia
Hey, danke für den Artikel. Ich trinke seit ein paar Wochen keinen Kaffee mehr und bin auf Lupinenkaffee umgestiegen. Vorgestern hatte ich mal wieder einen Schluck probiert und festgestellt, dass er mir nicht mehr schmeckt…mal schauen, vielleicht bleibe ich dann ja sogar ohne LG Mia
Jan Rein
Hey, Mia! Danke für deinen Kommentar. Hast du vor ein paar Tagen wieder normalen Kaffee oder Lupinenkaffee getrunken?
Liebe Grüße
Jan
Mia
Hey Jan,
ich habe mal zwischendurch wieder einen Soja-Latte genossen und so gefällt es mir :)) im Alltag bleibe ich bei Lupinenkaffee und bei ganz besonderen Gelegenheiten einen genussvollen veganen Latte ;))
LG
Mia
Peter Eich
Danke für deine gut geschrieben Gedanken. Jetzt weiß ich, warum mein kalter Entzug (nach einer kleinen Lebensmittelvergiftung durch einen schlechten Burger – ich bereue!) schon den dritten Tag Kopfschmerzen bereitet. Ich hätte mal lieber langsam runterfahren sollen.
Jan Rein
Hallo Peter! Danke, dass du deine Erfahrungen teilst. Ich habe auch schon mehrfach kalte Koffein-Entzüge gemacht und jedes Mal mit heftigen Symptomen zu kämpfen.
Viele Grüße
Jan
Lisa Springer
Hey, super Artikel.
Ich trinke normalerweise min. 4 Tassen Kaffee pro Arbeitstag und habe mich jetzt entschieden während der Fastenzeit darauf zu verzichten. Heute war Tag 2 und ich hatte extreme Kopfschmerzen. War allerdings auch ein kalter Entzug ohne Umgewöhnung. Mach ich definitiv so nicht mehr. Hoffentlich wird es die nächsten Tage besser, bin jetzt zu einer Tasse schwarze Tee pro Tag für die nächsten Tage umgestiegen.
Kaffeepionier
Hallo,
danke für den Beitrag! Die Tipps finde ich motivierend 🙂 Tatsächlich habe ich mal gelesen, dass in grünem und schwarzem Tee sogar mehr Koffein sein soll… Stimmt das?
Viele Grüße!