Sie isst ohne Ende und ich nehme schon vom Gedanken ans Essen zu. Wie kann das sein? Nutrigenetik und personalisierte Ernährung suchen die Antwort in Genen und Mikrobiom. Aber was ist dran an Gen-Diäten und Personalized Nutrition?
In den letzten Jahren wurde Gesundheit zur Privatsache erklärt: Du bist krank? Selbst schuld. Ganz so einfach ist es nicht. Wir sind zwar für Vieles selbst verantwortlich, doch es gibt Dinge, die wir uns nicht aussuchen können – unser Genom zum Beispiel.
Die Vermessung des Selbst
Die Trends rund um Selbstoptimierung, Fitness und Körperbewusstsein machten nicht nur Smart Watches und Schlaf-Tracker selbstverständlich. Auch Mikrobiom-Checks per Stuhlprobe, Gen-Tests und Home-Kits für den Mikronährstoff-Status treffen den Zeitgeist.
Wie die Sinnfrage in Sachen Arbeit und Beziehungen, ist die Vermessung des Selbst eine logische Folge unseres Aufstiegs in Maslow’s Bedürfnispyramide.
Mass Customization à la MyMüsli ist Standard geworden. Der nächste Schritt ist die echte Individualisierung von Produkten, Dienstleistungen – und Empfehlungen.
Ernährungsberatung als Ursprung
Personalisierte Ernährung ist das, wonach wir uns sehnen: ein auf uns maßgeschneidertes Ernährungskonzept.
»Du bist was du isst« war gestern. Heute heißt es: »Du isst, was du bist!«
Klassische Ernährungsberatung ist personalisierte Ernährung. Ernährungstagebuch, das offene Ohr der Beraterin sowie ihre Expertise waren lange der Goldstandard individueller Beratung.
Dann kam der Fortschritt. Ehemals teure Analysen wurden massentauglich, Menschen entnahmen Proben selbst, Haushalte wurden zu Außenstellen von Laboren.
Das alles ist Personalized Nutrition heute
Neuerdings denkt man bei Personalized Nutrition an Gene. Doch beim Genom ist noch lange nicht Schluss.
Es gibt zwar keine einheitliche Definition für personalisierte Ernährung. Aber Experten fassen unter dem Begriff folgende Komponenten zusammen1:
- Gene und ihre Effekte auf den Stoffwechsel
- Mikrobiom und ihr Einfluss auf die Ernährung
- Umweltfaktoren (z. B. Stress und Aktivität)
- Essgewohnheiten
- Essverhalten (z. B. wie oft und wann du isst)
- Phänotypisierung
Der Mensch wird vermessen und anhand der gewonnenen Daten entwickelt man maßgeschneiderte Ernährungsempfehlungen. Die Hoffnung ist, dass allgemeine Empfehlungen à la Deutsche Gesellschaft für Ernährung in absehbarer Zukunft von individuellen Ernährungsstrategien abgelöst werden.
Frei nach dem Motto: Was gut für mich ist, muss noch lange nicht gut für dich sein.
Wie sinnvoll ist personalisierte Ernährung?
Es gibt inzwischen einige Studien, die den Ansatz der personalisierten Ernährung prinzipiell unterstützen. Die meisten Ergebnisse stammen aber aus Beobachtungsstudien mit wenig Aussagekraft und nicht aus RCTs. 2
Studien zeigen außerdem: Gen-Tests und andere Ansätze von Personalized Nutrition haben das Potenzial, positive Verhaltensänderungen zu begünstigen.3
Sprich: Bekommst du das Ergebnis deiner Genom-Untersuchung, optimierst du möglicherweise dein Essverhalten und treibst mehr Sport. Der Gen-Test verhält dann wie ein Stups in die richtige Richtung (Nudging).
Beispiel: Individuelle Blutzuckerspiegel
Hohe Blutzuckerspiegel sind ein globales Problem. Übergewicht, Prädiabetes und Diabetes Typ 2 sind mögliche Folgen von hohem Blutzucker. Und es gibt Hinweise, dass dieselbe Mahlzeit bei zwei Menschen den Blutzuckerspiegel unterschiedlich beeinflusst.
Israelische Forscher untersuchten den Einfluss von Mahlzeiten auf den Blutzucker von 800 Menschen. Ein eigens entwickelter Mashine-Learning-Algortihmus analysierte Blutwerte, Ernährungsgewohnheiten, Anthropometrie, Aktivität und Erkenntnisse zur Mikrobiota der Probanden und ermittelte daraus individuelle Ernährungsempfehlungen.
Das Ergebnis: Personalisierte Empfehlungen senkten den Blutzuckerspiegel nach dem Essen. Die Forscher schlussfolgern, dass dieser Ansatz die gesundheitlichen Folgen von erhöhten Blutzuckerspiegeln erfolgreich vorbeugen kann.4
Gen-Diät: Mein Erfahrungen mit Lykon
Ich wollte nicht nur einen Artikel über personalisierte Ernährung schreiben, sondern auch selbst meine Erfahrung damit machen. Das Unternehmen Lykon bietet Blut- und DNA-Tests für zuhause an und hat mir den Test myDNA Slim zur Verfügung gestellt.
Disclaimer: Lykon nimmt keinerlei Einfluss auf die Inhalte dieses Artikels. Sie haben lediglich den Test kostenfrei zur Verfügung gestellt.
In 3 Schritten zum DNA-Test
Der Test ist ganz einfach zu Hause durchzuführen. Man muss sich jedoch sorgfältig an die Anleitung halten, damit das Ergebnis möglichst nicht verfälscht wird.
- Wangenabstrich
- Abstrich ins Labor schicken
- Test-Ergebnis samt Empfehlungen erhalten
Es dauerte etwa zwei Wochen, bis ich online mein Testergebnis einsehen konnte.
Mein Testergebnis von Lykon
Lykon nutzt den DNA-Abstrich und persönlichen Angaben (Alter, Geschlecht, Gewicht, Sport …) für einen individuellen Bericht. Dieser umfasst auf über 60 Seiten vor allem Aussagen über:
- Stoffwechseltyp
- Sporttyp
- Diättyp
Im Bericht nennt Lykon das: genetische Analyse des persönlichen Stoffwechsels. Es wurden 23 Single Nucleotide Polymorphismen (SNP) in 19 Genen untersucht.
Laut meinem DNA-Test treffen folgende Aussagen auf mich zu:
- Protein-Typ: Laut Test hat Protein bei mir einen geringen Einfluss auf Gewichtszunahme
- Ausdauer-Typ: Laut Bericht hilft Ausdauersport bei mir besonders gegen Körperfett
- Neigung zu Übergewicht und Jojo-Effekt: Laut Test zeigen die untersuchten Gene eine Tendenz zu Übergewicht und Jojo-Effekt
Ein Beispiel: Bei meinem Test wurde entdeckt, dass mein Genotyp das Protein α-Actinin-3 nicht produziert. Das scheint zwar die Muskelleistung nicht zu beeinträchtigen, aber die Kraft und Muskelmasse zu reduzieren. Außerdem habe ich dadurch weniger »schnelle« Muskelfasern (Typ II) und mehr »ausdauernde« Muskelfasern (Typ I).
Tatsächlich fällt mir Ausdauersport leichter. Ich habe kein Problem mit langen Cardio-Einheiten und eher Schwierigkeiten, Muskeln aufzubauen. Das heißt jedoch nicht, dass ich kein Krafttraining mehr mache. Ganz im Gegenteil: Nach dem Test habe ich wieder begonnen, mehr Kraftsport zu treiben.
Was bringt der Test?
Als Ernährungsexperte brauche ich die Ernährungsempfehlungen des Tests nicht. Allerdings sind sie für Laien ein guter Einstieg und Leitfaden. Ohne professionelle Unterstützung würde ich die Empfehlungen jedoch nicht 1:1 umsetzen.
Deshalb mein Rat, falls du einen DNA-Test machen möchtest: Such dir professionelle Unterstützung. Eine Diätassistentin, Ernährungsberaterin oder -medizinerin hilft dir dabei, die Ergebnisse zu verstehen und nächste Schritte zu entwickeln.
In jedem Fall sollten Ergebnisse aus DNA-Tests kein Gefühl der Machtlosigkeit erzeugen. Nur weil bestimmte Voraussetzungen in dein Genom programmiert sind, heißt es nicht, dass dein Tun irrelevant ist.
Spannend wird der Ansatz, wenn man genetische Prädispositionen (z. B. für Übergewicht) durch einen gesunden Lebensstil entgegenwirkt. Das ist der Grundgedanke einer Gen-Diät.
Wenn du Interesse an einem DNA-Test bekommen hast, gibt es 15 % Rabatt bei Lykon mit dem Code DNASACHE15. Wie gesagt: Wir bekommen dafür keine Provision und die Inhalte dieses Artikels sind meine unabhängige Meinung.
Fazit: Personalisierte Ernährung
Das Wichtigste in Kürze5:
- Personalisierte Ernährung nutzt persönliche Merkmale rund um das Genom, Mikrobiom und Lifestyle-Faktoren, um gezielte Ernährungsberatung, Produkte oder Dienstleistungen zu entwickeln.
- Der Ansatz basiert auf der Annahme, dass individuelle Ernährungsberatung, Produkte oder Dienstleistungen besser sind als allgemeine Empfehlungen.
- Die individuellen Empfehlungen leiten sich aus unterschiedlichen Reaktionen auf Lebensmittel/Nährstoffe ab, die von geno- oder phänotypischen Merkmalen abhängen und/oder vom Verhalten, den Präferenzen und Zielen.
- Wissenschaftler weisen darauf hin, dass es Direct-to-Consumer Angeboten rund um DNA-Testing an ausreichender Evidenz fehlt.
- Es ist noch viel Forschung nötig, bevor man mit Sicherheit weiß, welchen Nutzen man aus Personalized Nutrition ziehen kann.
Soweit der Stand heute. Ich glaube, dass sich in wenigen Jahren kaum jemand mehr mit allgemeinen Richtlinien zufrieden geben wird. Immer mehr Menschen werden auf individuelle Ernährungskonzepte bestehen.
Betrachtet man die Selbstdarstellung in sozialen Netzwerken und die freiwillige Selbstvermessung mit Smart Watches und Kalorien-Apps, ist das keine Möglichkeit sondern logische Konsequenz.
Mit mehr Forschung und neuen Erkenntnissen entsteht mit ein individueller Ansatz für die moderne Gesellschaft, der das Potenzial hat, die Lebensqualität vieler Menschen zu verbessern.
Mehr Infos & Weiterlesen
Else Kröner-Fresenius-Zentrum der TU München: https://www.ekfz.tum.de/ernaehrungsinformationen/
Forschungsgruppe “Personalisierte Ernährung & eHealth”: https://www.enable-cluster.de/penut
Scientific American zum Thema Personalized Nutrition: https://www.scientificamerican.com/article/personalized-nutrition-the-latest-on-dna-based-diets/
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