François-Marie Arouet ist bekannt für seine Kaffeeliebe. 40 bis 50 Tassen soll er täglich getrunken haben. Sein Arzt mahnte vor den Gefahren seines exzessiven Kaffeekonsums. Alt wurde er trotzdem. Da stellt sich die Frage: Ist Kaffee gesund oder doch ungesund?
Vermutlich strich sich der Franzose amüsiert durch sein gelocktes Haar und bestellte Pott um Pott im Café Le Procope. Er wurde 83 Jahre alt und starb einige Jahre vor der französischen Revolution. Also in einer Zeit, in der man zwar noch mit Kopf auf den Schultern starb, aber nicht unbedingt alt wurde. Er wurde alt – trotz Kaffee. François-Marie Arouet ist besser bekannt als Voltaire, französischer Philosoph und einer der größten Kaffee-Junkies der Geschichte.
Die Geschichte vom Kaffee in Europa
Zwei Schlussfolgerungen darf man aus der – zugegebenermaßen nicht einwandfrei prüfbaren – Überlieferung jedoch nicht ziehen. Erstens, man braucht nicht so viel Koffein, um lange nach dem eigenen Tod nachhallende brillante Gedanken zu formulieren. Vielen großen Denkern der Menschheitsgeschichte blieb der Genuss eines Tässchens Kaffee verwehrt – sie lebten schlichtweg vor der Entdeckung des erhellenden Gebräus. Zweitens, dass Voltaire wegendes Kaffees so alt wurde.
Honoré de Balzac, mit 60 Tassen pro Tag ebenfalls von großer Kaffeeliebe erfüllt, soll wegen ebendieser und Überarbeitung früh erkrankt und gestorben sein. Unbestritten ist die anregende Wirkung des Kaffees. Nicht zuletzt deshalb ist es das liebste Getränk der Deutschen, die pro Jahr und Kopf über 160 Liter trinken.
Kaffeehäuser früher: Kritik und Revolution
Dabei steht Kaffee seit der Verbreitung in Europa in der Kritik. Als das erste Kaffeehaus Europas 1652 in London (nicht in Rom!) eröffnete, konnte niemand ahnen, dass sich daraus eine Kaffeehauskultur entwickeln würde mit über 3000 Neueröffnungen im ersten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts – in London. Kaffeehäuser waren aber auch Orte, die zahlreichen Herrschern schlaflose Nächte bereiten sollten.
Friedrich der Große verbot 1781 sogar das Kaffee-Rösten, trank ihn selbst aber gern. King Charles II von England fürchtete den neuen gesellschaftlichen Raum so sehr, dass er 1675, knapp zwanzig Jahre nachdem das erste Café Londons öffnete, die »Proklamation zur Unterdrückung von Kaffeehäusern« herausgab. Die koffeingeschwängerten Diskussionen wurden den Herrschenden zu gefährlich.
Kaffeehäuser damals waren Orte des Protests, aber auch der Annäherung und Wahlheimat von Dissidenten. Das Café Procope, in dem Voltaire Stammgast war, wurde auch von Napoléon Bonaparte besucht. Erzählungen zufolge sollen hier Grundgedanken der Französischen Revolution diskutiert worden sein.
Kaffeehäuser heute: Konsum, Klo und W-Lan
Wohl keiner der damaligen Kaffeehausgänger hätte sich ausmalen können, was einmal aus dem bedeutungsschweren Raum zwischen Bücherregalen, Gemälden und großen Wanduhren werden würde. Im 21. Jahrhundert ist Gesellschaftskritik und Alltagsphilosophie kein Grund mehr für den Besuch eines Kaffeehauses.
Die Gründe heute: kostenlose Toiletten, kostenloses W-Lan, kostspielige Inszenierung des Lifestyles made by Starbucks und Co. Kaffee-Debatten drehen sich heute nicht mehr um Politik und Philosophie. Es geht um Fragen wie: Welche Milch macht den besten Schaum? Ist entkoffeinierter Kaffee wirklich koffeinfrei (nein). Und: Ist Kaffee eigentlich gesund?
Die vielen Gesichter des Kaffees
Kaffee ist mehr als ein Getränk. Kaffee ist die kleine Auszeit am Nachmittag, Gemütlichkeit, Erinnerung an den elterlichen Frühstückstisch an einem verregneten Sonntag. Das Koffein im Kaffee ist aber auch eine psychoaktive Substanz, eine gesellschaftlich akzeptierte Droge. Bis vor wenigen Jahren noch galt Kaffee daher als ungesund. Wichtige Mineralien würden ausgeschwemmt werden, Kaffee würde Spermien und dem Herzen schaden. Ein Grund für die Behauptung, Kaffee sei ungesund, ist ein typisches Problem der Ernährungsforschung.
Es wurde schlichtweg nicht berücksichtigt, dass Kaffeetrinker eher als Nicht-Kaffeetrinker ungesunde Laster haben – Alkohol und Zigaretten sind nur zwei davon. Als immer mehr Studien zeigten, dass nicht Kaffee per se sondern mangelhafte Forschungsmethoden das Problem waren, ging ein erleichtertes Raunen durch die Gesellschaft. Journalisten berichteten natürlich gerne über die frohe Botschaft. Schließlich gehören sie zur Berufsgruppe mit dem wohl höchsten Kaffeekonsum. Kaffee wurde freigesprochen – und der Konsum stieg in den darauffolgenden Jahren.
Ob Kaffee gesund ist, ist die falsche Frage
Und doch bleiben berechtigte Zweifel. Deshalb ist es wichtig ein paar grundlegende Fakten über Kaffee zu kennen. Denn so viel vorneweg: »Ist Kaffee gesund« ist die falsche Frage. Ab sofort gilt: »Ist Kaffee gesund für mich?« Sehen wir uns die Frage im Detail an.
Die meisten Studien kommen zu dem Ergebnis: Kaffee ist eher gesund als ungesund. Kaffeetrinkern wird ein längeres Leben nachgesagt; ihr Risiko für Herz-und Atemwegserkankungen, Parkinson, Diabetes mellitus, Schlaganfälle und Infektionskrankheiten sei geringer. Zwei bis drei Tassen seien gesund, so der wissenschaftliche Tenor.
Es ist wohltuend diese Zeilen zu schreiben und dabei Kaffee aus meiner geliebten French Press zu trinken. Und doch will ich die gesundheitlich bedenklichen Aspekte des Kaffees nicht außen vor lassen, nur weil ich Kaffeeliebhaber bin.
Die French Press ist hierfür ein guter Ansatzpunkt. Das filterlose Brühverfahren mittels Kaffeepresse steht im Verdacht negativ auf den Cholesterinspiegel zu wirken. Dafür verantwortlich ist die Substanz Cafestol. Der Cafestol-Gehalt im Kaffee wird maßgeblich durch die Zubereitungsart beeinflusst. Filterlose Methoden, dazu gehören French Press und Vollautomat, lassen mehr Cafestol in die Tasse als die gute alte Papierfiltermaschine. Wenn du also ohnehin hohe Cholesterinwerte hast, macht es Sinn auf Papierfilter zurückzugreifen. Dann gilt nämlich die Faustregel: Je weniger Kaffeesatz in der Tasse, desto besser für den Cholesterinspiegel.
Nicht für jeden ist Kaffee gesund
Unabhängig vom Cholesterinspiegel sollten Menschen mit Harninkontinenz, Störungen der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse, Bluthochdruck und saurem Aufstoßen auf Kaffee verzichten, um ihre Beschwerden nicht zu verschlimmern. Auch Schwangere tun ihrem Ungeborenen einen Gefallen, wenn sie ihren Koffeinkonsum reduzieren.
Eine andere beliebte Kaffee-Frage ist: Regt Kaffee die Verdauung an? Es soll ja Menschen geben, die ohne Kaffee am Morgen überhaupt nicht mehr auf die Toilette gehen können. Klar, dass man vielfach von der verdauungsfördernden Wirkung des Koffeins hört. Leider ist dem nicht so. Koffein lässt den Darm zwar tanzen und uns zur Toilette gehen. Die Verdauung, also die Nahrungszerkleinerung und Nährstoffaufnahme, verbessert sich dadurch nicht. Allenfalls gleitet der Nahrungsbrei schneller durch den Verdauungstrakt. Kaffee beschleunigt die Transitzeit zwischen Mund und After, verbessert jedoch nicht die Verdauung im eigentlichen Sinn.
Kaffee, Koffein und die Gene
Du siehst: Kaffee ist nicht generell gesund oder ungesund. Es kommt darauf an, wer ihn trinkt. Ein entscheidendes Puzzleteil auf der Suche nach dem großen Bild des Kaffeekonsums liegt in deinen Genen. Ein Enzym mit dem leicht zu merkenden Namen Cytochrom P450 1A2, das durch das CYP1A2-Gen kodiert wird, verstoffwechselt Paracetamol, Steroide, Melatonin – und eben Koffein. Wenn du Arzneimittel wie Fluorchinolone und Fluvoxamin nimmst, wird die Wirkung des Koffeins dadurch verstärkt, dass diese Arzneimittel CYP1A2-Hemmer sind.
Aber auch wenn du keine Arzneimittel dieser Art nimmst, hängt deine Koffein-Verträglichkeit vom CYP1A2-Gen ab. Schätzungsweise tragen etwa 50 % der Weltbevölkerung eine veränderte Form des Gens in sich, die sie zu langsamen Koffeinverstoffwechslern (Slow Caffeine Metabolizers) macht. Menschen, die angebotenen Kaffee mit den Worten: »Ich vertrage Kaffee so schlecht« verneinen, könnten Träger der langsamen Gen-Variante sein. Interessanter als die Verträglichkeit von Koffein ist aber der Unterschied in den gesundheitlichen Auswirkungen zwischen schnellen und langsamen Koffeinverstoffwechslern.
Die gesundheitlichen Vorzüge des Kaffeetrinkens gelten nämlich fast ausschließlich für schnelle Koffeinverstoffwechsler. In Studien wurde gezeigt, dass langsame Koffeinverstoffwechsler bei Kaffeekonsum ein erhöhtes Risiko für Bluthochdruck, Herzinfarkt und einen beeinträchtigen Nüchternglukose-Spiegel haben. Die schützende Wirkung vor Parkinson scheint bei beiden Gruppen, schnellen und langsamen Koffeinverstoffwechslern, gegeben.
Dieser genetische Faktor ist einer der Gründe, warum die Kaffee-Frage eine individuelle Antwort erfordert. Dein allgemeiner Gesundheitszustand, der Zustand deiner Darmflora, dein Stresslevel und der Fakt, dass du nicht entweder ein schneller oder langsamer Koffeinverstoffwechsler bist, sondern es sich dabei um ein Kontinuum handelt, sind die Hauptgründe, warum du auf deinen Körper und nicht auf Kaffeebefürworter und -gegner hören musst. Dennoch gibt es einige Tipps, die für die meisten Menschen gelten.
Tipps für gesunden Kaffeegenuss
- Trink deinen Kaffee achtsam. Es ist ein Genussmittel, kein Gesöff zum schnell mal eben runter kippen. (Klicke hier für eine Anleitung)
- Niemand will dir deinen Kaffee madig reden – übertreib es nur nicht. Bis zu fünf Tassen sind okay. Wenn du mehr als fünf Tassen »brauchst«, solltest du deinen Lebensstil überdenken und mal …
- eine Koffein-Pause einlegen. Eine mehrwöchige Koffein-Entwöhnung bringt dich deinem natürlichen Ich näher. Außerdem hast du danach wieder mehr Effekt bei weniger Stoff (Anleitung für einen Kaffee-Entzug).
- Die gesunde Wirkung von Kaffee lässt sich ganz leicht zunichte machen, wenn du drei Löffel Zucker und eine halbe Packung Kaffeesahne dazugibst. Lass es lieber sein.
- Du bist geplagt von Ein- und Durchschlafproblemen? Dann verzichte lieber auf Kaffee, koffeinhaltige Tees und Energy-Drinks am Nachmittag und Abend. Vielleicht bist du ja ein langsamer Koffeinverstoffwechsler.
- Leidest du an Bluthochdruck und innerer Unruhe nach Kaffeegenuss? Dann lass es bleiben. Kaffee scheint zwar eher gesundheitsfördernd als schädlich zu sein. Es ist aber kein Elixier für Unverwundbarkeit. Ohne geht’s auch.
Auf die Frage, ob Kaffee gesund ist, gibt es keine klare Antwort. Sondern nur eine philosophische: Es kommt drauf an. Das hätte Voltaire sicher gefreut.
Simon
Bester Artikel über Kaffee, hat alle meine Vermutungen bestätigt.
Bin wohl langsamer Koffeinverstoffwechsler .
Vielen Dank.
Jan Rein
Freut mich, dass dir der Artikel weitergeholfen hat!
Philipp
Super Artikel. Ich bekomme von Kaffee oft Durchfall, die aufputschende Wirkung tritt bei mir eher nicht ein; manchmal v.a. bei hochwertigen flat whites aus einem Café bin nach 2-3 Tassen richtig aufgekratzt. spricht all das dafür, dass ich Koffein langsam verstoffwechsel bzw Kaffee für mich ungesund ist?
Jan Rein
Es kann gut sein, dass du Koffein nicht gut verträgst, wenn du oft Durchfall davon bekommst und die Wirkung unangenehm ist (aufgekratzt). Laura z. B. verträgt Kaffee überhaupt nicht und bekommt Herzrasen davon.
Viele Grüße
Jan
melitta
Koffein ist ein Nervengift, nicht der Kaffee an sich, der ja angeblich laut etlichen (unabhängigen?) Studien und Ärzten sogar gesund sein soll: “Anregung Gehirn- und Darmaktivität, Vorbeugung Demenz, antioxidative Wirkung etc.”
Ich bezweifle jedoch stark, das diese positiven Effekte (die evtl. auch für entkoffeinierten Kaffee zutreffen, jedoch gibt es da leider kaum Studien!) überwiegen!
Denn unstreitig ist: Koffein entzieht dem Organismus Kalium und Calcium – wichtige Mineralien für die Herzfunktion – läßt die Blutgefäße verengen (durch Adrenalin- und Noradrenalin-Auschüttungen zur Abwehr des Giftstoffes Koffein) und steigert dadurch die Herzfrequenz deutlich – das Herz muss jetzt mehr Blut durch die engeren Gefäße pumpen – und erhöht (zusammen mit der Zufuhr von Kohlenhydraten) den Blutzuckerspiegel und führt dazu, dass Histamine langsamer abgebaut werden bzw. Antihistamine (Allergie-Medikamente) weniger bis gar nicht wirken.
Ich frage mich, wieso Ärzte – teilweise sogar Kardiologen – ernsthaft den Koffeinkonsum noch unterstützen bzw. verharmlosen. Vielleicht weil sonst die Kunden mit der Volksdroge Koffein (neben Alkohol – der im Übrigen die negative Wwirkung des Koffeins noch verstärkt) einfach (zu einem anderen Arzt) davonlaufen würden?
In diesen (pseudo-)Wissenschafts- und Lifestyle-Blogs kann man die positive Darstellung des Koffeins noch nachvollziehen: pure Profitgier – da nicht selten mit Anbietern von Kaffee und Tee zusammengearbeitet wird – und um den Traffic der Webseite zu erhöhen… Leute lesen halt gerne was Positives und was sie in ihrer Sucht bestätigt.
Jedoch ist jedes Miligramm dieses Giftes Koffein zu viel, das ja auch in dem ach so gesunden (Grün-)Tee enthalten ist, der gegen alles mögliche helfen soll – sogar gegen Krebs! Das ich nicht lache! An den (großteils gefakten) Studien kann man allerhöchstens irgendwelche Kurzzeit-Effekte nachweisen, aber ehrlich gesagt scheiße ich auf die anregende Darmaktivität nach dem Kaffeegenuß 🙂 Herrgott, einen halben Liter Kaffee schüttet der Durchschnitt (inkl. Kinder!) jeden (!) Tag in sich hinein! Das hört sich nicht gesund an…
Ich habe selbst den Test gemacht: Nachdem ich 30 Jahre Kaffeetrinker war und plötzlch ohne besonderen Grund häufiger Herzrhytmusstörungen, Konzentrations- und Schlafstörungen hatte, habe ich angefangen, anstatt mir morgens Kaffe reinzuschütten, ein paar Liegestütze und Klimmzüge an der frischen Luft zu machen oder eine runde Joggen zu gehen und ich hatte die gleichen, anregenden und wachmachenden Effekte – nur ohne Kaffee – und die Beschwerden waren sofort/nach einer Woche verschwunden. Es ist mir davor nicht aufgefallen, aber selbst beim Konsum von mehr als einer Tasse Grüntee merke ich, wie die negativen Effekte des Koffeins (wie oben beschrieben) die positiven Effekte des grünen Tees (Konzentriertheit, beruhigende Wirkung), übersteigen…
Man sollte es einfach ausprobieren – ohne Gift den Tag beginnen – mit Sport und viel Vitaminien anstatt Koffein – und gesünder und länger leben…