Übergewichtige Menschen haben es in unserer Gesellschaft nicht immer leicht. Sie werden oft von der schlanken Minderheit als fett, ungesund, gefräßig und faul abgestempelt. In diesem Artikel geht es um ein weniger bekanntes Phänomen: Skinny Fat und TOFI – schlanke Menschen, die trotz Normalgewicht einen hohen Körperfettanteil und Stoffwechselstörungen haben.
Hinweis: Das ist ein Gastartikel von Franca Mangiameli, Diplom Oecotrophologin und Buchautorin. Sie ist zudem Netzwerkleiterin PR bei DR. AMBROSIUS® – Ernährungsberatung.
Richtig ist, dass Übergewicht und Fettleibigkeit in großen Bevölkerungsstatistiken nicht nur mit einer höheren Sterblichkeit einhergehen, sondern auch mit mehr als 200 chronischen Erkrankungen wie Typ-2-Diabetes, Arteriosklerose, Bluthochdruck, Asthma, Fettleber, Demenz, chronisch obstruktive Lungenerkrankungen (COPD) und einigen Krebsarten.
Wer schlank ist, kann sich folglich glücklich schätzen. Denn wer weniger Fett gespeichert hat, wird nicht nur weniger stigmatisiert, der ist auch gesünder, fitter und lebt folglich auch länger – so zumindest die landläufige Meinung.
Diese herkömmliche Betrachtung des »Normalgewichts« suggeriert, dass Schlanksein ein Schutzeffekt darstellt – ganz nach dem Motto: Nur in einem »schlanken« Körper steckt ein gesunder Mensch. So sehen das auch viele Versicherungsgesellschaften, wie Krankenkassen, die ihre Mitglieder mit Bonuspunkten oder Geldprämien belohnen, wenn der BMI stimmt.
TOFI – außen schlank, innen fett
Doch haben schlanke Menschen wirklich ein geringeres Risiko für Zivilisationserkrankungen? Sind äußerlich ranke Menschen zwangsläufig auch innerlich schlank? Haben Normalgewichtige per se eine längere Lebenserwartung als beleibtere Menschen? Oder ist Schlanksein unter Umständen mehr ein trügerischer Schein?
Wer sich allein auf sein äußeres Erscheinungsbild verlässt, kann »fette« Überraschungen erleben, denn viele Menschen, die laut Body-Mass-Index als normalgewichtig gelten, sind in Wirklichkeit fett. Doch haben sie ihr Fett so gut versteckt, dass es äußerlich nicht sichtbar ist.
Der Speck sitzt bei ihnen tief in der Bauchhöhle, zwischen den Eingeweiden und sogar in den Organen. Das ist nicht gut – denn hier gelagertes Fett bringt den Stoffwechsel massiv durcheinander, wodurch die Betroffenen die gleichen Stoffwechselanomalien und Krankheitsrisiken aufweisen wie metabolisch ungesunde Adipöse.
Dicke Dünne werden im englischen Sprachgebrauch kurz und knapp TOFI (thin outside, fat inside) genannt, was auf deutsch »außen schlank, innen fett« bedeutet.
Auch interessant: Franca Mangiameli und Prof. Dr. Nicolai Worm haben das Buch »Außen schlank – innen fett«* geschrieben, das im TRIAS-Verlag erscheint.
Bin ich skinny fat bzw. TOFI?
In der Wissenschaft werden sie auch als »metabolisch fettleibig, aber normalgewichtig« (metabolically obese but normal weight = MONW) oder auch als normalgewichtige Adipöse (normal weight obese = NWO) bezeichnet. In der Yellow-Press und in den sozialen Netzwerken wird vor allem von der jüngeren Generation gerne der Begriff »skinny fat« verwendet, um die dünne Fettleibigkeit zu beschreiben.
Hierzulande ist mindestens jeder 5. normalgewichtige Erwachsene ein TOFI bzw. Skinny Fat. Aber auch jedes 5. schlanke Kind und mindestens genauso viele Jugendliche sind eigentlich zu fett und weisen bereits Stoffwechselstörungen auf, obwohl ihr BMI im »grünen« Bereich liegt.
Äußerlich sind TOFI an ihren dünnen Beinen, schmalen Hüften und fliehenden Hintern zu erkennen. Außerdem gehören sie nicht gerade zu den sportlichsten Menschen, was optisch an ihrer verminderten Muskelmasse und damit einhergehen spannungslosen Körperhaltung zu erkennen ist und sich innerlich in Form einer deutlich verminderten kardiorespiratorischen Fitness (angegeben als VO2max = maximale Sauerstoffaufnahmefähigkeit in ml/min/kg) äußert.
Bäuchlein und Körperfett: So erkennt man einen TOFI
Viele TOFIs tragen sichtbar Bäuchlein, doch gibt es auch dicke Dünne, die zwar viel Fett im Bauchraum deponiert haben (viszerales Fett), aber trotzdem eine schlanke Taille besitzen. Kein Bauch heißt also nicht zwangsläufig kein Risiko!
Nimmt man die inneren Werte eines TOFI näher unter die Lupe, so zählen zu den häufigsten Auffälligkeiten ein hoher Körperfettanteil, ein erhöhter Blutdruck und Nüchternblutzucker, veränderte Blutfette (hohe Triglyzeride), erhöhte Entzündungsmarker (CRP, TNF-alpha, IL-6) sowie Fetteinlagerungen in der Leber. Typisches Kennzeichen eines TOFI-Stoffwechsels ist das Vorhandensein einer Insulinresistenz – also eine Zuckerverwertungsstörung.
Was genau den TOFI zum TOFI macht kann man nicht sicher sagen. Wissenschaftler gehen davon aus, dass jeder Mensch eine individuell festgelegte maximale Speicherkapazität der Fettzellen im Unterhautgewebe besitzt, die durch unsere Gene, das Geburtsgewicht, das Alter und insbesondere auch durch Lebensstil- und Umweltfaktoren beeinflusst wird.
Fett macht krank? Nicht immer!
Bei manchen Menschen ist die Verfettungsgrenze so hoch, dass sie riesige Speckpolster aufbauen können ohne dabei krank zu werden. Das betrifft schätzungsweise 20 % der Menschen mit BMI über 30, die in der Laienpresse auch als die »fitten Fetten« und in der Fachwelt als die metabolisch gesunden Adipösen bezeichnet werden.
Typisches Beispiel hierfür sind die japanischen Sumo-Ringer. Sie speichern die vielen überschüssigen Kalorien sicher unter der Haut, wo sie keinen Schaden anrichten können. Ihre Fettzellen sind gesund, fit und insulinempfindlich. Folglich bleiben sie, solange sie aktiv ihren Sport betreiben, frei von Stoffwechselstörungen.
Dann wiederum gibt es viele Schlanke, wie die TOFIs, bei denen die Kapazität Fett unter der Haut zu speichern, zu spärlich ist. Dies führt dazu, dass die Fettzellen schon bei minimaler überkalorischer Ernährung überfordert sind, in Stress geraten, sich entzünden und insulinresistent werden.
Solche kranken und dysfunktionalen Fettzellen können kein Fett mehr speichern. Der Energieüberschuss wird dann in alternative »Speicherorte« umgeleitet. Dazu zählen die Bauchhöhle und Organe wie Muskeln und Leber. Der Zuckerstoffwechsel gerät dann völlig aus dem Lot und der Weg zum Diabetes oder zum ersten Schlaganfall oder Herzinfarkt ist nicht mehr weit. Man kann also sagen, dass ein TOFI nicht gesund fett werden kann.
Schlanke Menschen sind nicht automatisch gesund
Dieses Szenario zeigt deutlich, dass ein schlankes Äußeres kein Gesundheitsgarant ist. Im Gegenteil, Skinny Fat und TOFIs sind eine besonders gefährdete Spezies, weil sie beim Arzt aufgrund ihres Normalgewichts oft durchs Raster fallen.
Das ist fatal, da sie dadurch unbehandelt bleiben und ihre Stoffwechselstörung somit ungehindert fortschreiten kann. Dabei kann eine Lebensstilintervention mit mediterraner, kohlenhydratreduzierter Ernährung, mehr Bewegung und Stressabbau die Fettzellen entlasten, ihre Entzündungen eindämmen und sie wieder empfindlicher gegenüber das Hormon Insulin machen. Der Stoffwechsel kann dadurch relativ schnell wieder in die richtige Bahn gelenkt werden.
Die Betroffenen brauchen hierbei jedoch Unterstützung und zwar nicht nur von fachkundigen Ärzten*innen, die diesen neuartigen Adipositastyp diagnostizieren können, sondern auch von qualifizierten Ernährungsberatern*innen, die sich mit diesem Phänotyp auskennen und den Patienten ein passendes auf ihre Stoffwechselsituation und Bedürfnisse angepasstes Ernährungskonzept erstellen, sie begleiten und coachen.
Fazit zu Skinny Fat und TOFI
Eine Gewichtsabnahme von 2-3 Kilo, kann schon viel verbessern, doch müssen TOFIs auch das Richtige abnehmen, da andernfalls ihr Stoffwechsel noch weiter entgleisen würde. Deswegen ist die Kostzusammenstellung, mit einem hohen Eiweiß- und geringen Kohlenhydratanteil, der Ausgleich von Nährstoffdefiziten und das richtige körperliche Training mit regelmäßigen Kraft- und Ausdauereinheiten sowie die Erhöhung der Alltagsaktivitäten, von enormer Bedeutung für die Wiederherstellung der Gesundheit dieser schlanken Hochrisikogruppe.
Außen schlank und normalgewichtig – damit ist man noch längst nicht stoffwechselgesund. Folglich sollte man auch nicht von gesundem Gewicht, sondern lieber von einem gesunden Körper sprechen.
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